DARIO HEINRICH: „EISHOCKEY IST EINE LEBENSSCHULE“

Den 30-jährigen Dario Heinrich und den SC Herisau verbinden über zwei Jahrzehnte. Nach seiner Zeit als Spieler amtete er vier Jahre als Sportchef. Seit drei Jahren ist er Präsident. Er spricht über die Rolle des SCH als Nachwuchsclub, die Herausforderung als Verein sichtbar zu bleiben und die überstandenen finanziellen Turbulenzen.

(Roger Schuchter/SC Herisau)

Herr Heinrich, warum braucht es den SC Herisau?
Allein wegen der reichen Geschichte! Dieser Verein ist ein Urgestein der Ostschweizer Eishockey-Landschaft. Nur schon deshalb engagieren wir uns weiter für ihn. Aber unsere wichtigste Aufgabe ist sicher der Nachwuchs.

Wie gross ist das Interesse bei den Jungen?
In den vergangenen zwei Jahren konnten wir einen schönen Zuwachs registrieren. Insbesondere bei der Hockey-Schule. Ich vermute, das liegt mindestens teilweise an der Signalwirkung internationaler Talente wie Timo Meier. Aber sicher auch am guten Job, den der Verein macht. Denn die Jungen haben viele Auswahlmöglichkeiten – Eishockey ist längst nicht der einzige Sport.

Und der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Die Eltern nehmen einiges auf sich.
Das stimmt. Fürs Eishockey braucht es sicher mehr Material und Aufwand als beispielsweise für Fussball. Deshalb versuchen wir, den Eltern so viel wie möglich abzunehmen. Wir bieten Betreuung (Anziehen etc.), Ausrüstungen, einen fairen Mitgliederbeitrag und auch Mannschaftsbusse für die Fahrt an Auswärtsspiele an. So hoffen wir, die Einstiegshürde etwas zu mindern.

Woher kommen die jungen Neuzugänge?
Unser Einzugsgebiet ist regional. Die meisten kommen aus den beiden Appenzell. Aber wir haben auch viele Junge aus St. Gallen, Uzwil, Wil oder Bischofszell.

Hätte man als Nati-A-Club nicht noch mehr Signalwirkung?
Natürlich. Aber das betrifft weniger den Start bei den Jungen. Schwieriger ist es, Talente möglichst lange zu halten. Denn wenn ein Nati-A-Club anfragt, wechseln die meisten natürlich gern.

Aber die 1. Liga ist nach wie vor der richtige Ort für den SCH?
In der jetzigen Situation ganz bestimmt. Ein Aufstieg wäre aus logistischer und finanzieller Sicht momentan keine Option. Ausserdem können wir nicht klagen: Dank der Zusammenarbeit mit dem EC Wil können wir auf jeder Altersstufe ein Team stellen. Und wir haben starke Mannschaften – und vor allem einen super Teamgeist auf allen Stufen.

Die Finanzen waren beim SCH lange ein heikles Thema. Wie steht es um die Kasse?
Wir können endlich sagen: Der SCH ist wieder schuldenfrei. In den vergangenen Jahren wurden viele Massnahmen ergriffen, um die Finanzen in den Griff zu kriegen. Das ist uns glücklicherweise gelungen. Ohne die Treue unserer Sponsoren wäre das aber nicht möglich gewesen.

Was für eine Rolle spielt dabei das Modell, den Spielern der ersten Mannschaft keinen Lohn, sondern nur Materialgeld auszuzahlen?
Das ist ein entscheidender Faktor. Die Lohnkosten wären eine grosse Belastung für den Verein. Und was uns besonders freut, ist, dass das Ganze von den Spielern so gut mitgetragen wird. Sie sind bei uns wegen des super Teamgeistes, der professionellen sportlichen Betreuung, der guten Infrastruktur und ihrer Liebe zum Eishockey – nicht wegen des Geldes.

Sie erwähnten bereits, dass der SCH ab der U13 mit dem EC Wil zusammenarbeitet. Bräuchte es im Nachwuchs mehr solcher Kooperationen?
Diese Partnerschaft ist wichtig für uns, ja. Aber sie ist nichts Aussergewöhnliches. Im Nachwuchsbereich existiert schweizweit ein reger Austausch. Davon profitieren Spieler und Vereine. Eine noch intensivere Zusammenarbeit und Konzentrierung der besten Spieler braucht es meiner Ansicht nach aber nicht unbedingt. Denn jeder Club hat seine eigene Identität. Und das soll so bleiben. Auch spielerisch macht es Sinn, die Teams soweit möglich selbstständig zu führen. Denn nur so können in den Nachwuchsteams sehr viele Spieler Verantwortung übernehmen und somit die neuen Leader von morgen entwickelt werden.

Als Sportverein konkurriert man heute mit viel mehr Unterhaltungsmöglichkeiten als vor 10, 20 Jahren. Was kann der SCH tun, um relevant zu bleiben?
Wir müssen uns zeigen. Je sichtbarer wir sind, desto mehr Spieler und Fans ziehen wir an. Deshalb haben wir ein neues Kommunikationskonzept lanciert und den Vorstand ausgebaut. Wir werden diese Anstrengungen in Zukunft noch ausbauen – auf allen Kanälen.

Ein Verein überlebt nur dank dem grossen ehrenamtlichen Engagement vieler Beteiligter. Ist es manchmal nicht auch frustrierend, dass so grosse Anstrengungen nötig sind?
Ich will ehrlich sein: Es kann schon an den Kräften zehren. Insbesondere, wenn man lange an einem Problem – bei uns waren das die Finanzen – «herumkauen» muss. Aber auf der anderen Seite gibt es auch viel Positives. Allen voran die Freude, die wir den Spielern und Fans machen können. Und jetzt, da die Schulden kein Thema mehr sind und dank den neuen Kräften im Vorstand spüren wir auch wieder viel mehr Aufwind.

Eishockey ist ein körperbetonter Sport. Was sagen Sie Eltern, die sich Sorgen um ihre Kinder machen?
Natürlich gehört das körperliche Spiel zum Eishockey. Aber das ist nie bösartig. Ich sehe es als eine Lebensschule: Auch abseits vom Eis landet man irgendwann auf dem «Hosenboden» oder muss sich gegen andere durchsetzen. Und das wichtigste: Hockey ist ein Teamsport.

Wie wird sich das Schweizer Eishockey in den nächsten 10 Jahren entwickeln? Und was wird aus dem SCH?
Ich hoffe, dass die Beliebtheit des Eishockeys weiterwächst. Natürlich sind wir als regionaler Verein dabei aber nur ein sehr kleines Stück des Puzzles. Was wir tun können, ist den Nachwuchs stärken und so hoffentlich dazu beitragen, den nächsten Timo Meier zu finden. Ich bin aber überzeugt: Den SCH gibt es auch in 10 oder 20 Jahren noch.

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