Marc Bleiker bei einem seiner Rennen. (Bild: zVg)
„Ich werde an Olympia mitfahren“, mit diesem Gedanken stellte sich das Leben von Marc Bleiker von einem Tag auf den anderen auf den Kopf. Heute fährt Marc seit vier Jahren im Schweizer Nachwuchskader der beeinträchtigten Skifahrer. Sieben bis dreizehn Mal in der Woche trainiert er in der Sportlerschule Teufen mit seinen Trainern und Physiotherapeuten. Trotzdem sei er kein Profisportler. «Profisportler ist man nur, wenn man von dem Sport leben kann. Ich bin ein Leistungssportler“, sagt Marc. (Derya Ayaz, Elias Weil, Simon Scopic und Paolo Tolino)
Vom Hobby zum Spitzensportler
Seit seiner Geburt leidet Marc an einer Sehbehinderung, die Ihn aber nicht aufhält, seiner Leidenschaft, dem Skifahren nachzugehen. Er ist mit grauem Star geboren, welcher operiert wurde. Das führte zu grünem Star (erhöhter Augeninnendruck), welcher seinen Sehnerv belastet. «Ich werde immer weniger sehen und irgendwann ganz erblinden. Momentan sehe ich auf dem linken Auge 5% und auf dem rechten 1%.» Mit zwei Jahren steht Marc das erste Mal, vor dem Haus seiner Eltern, auf den Ski. Anfänglich fahren Mutter oder Vater voraus und unterstützen Ihn. Als es dann vom Breitensport in den Nachwuchskader ging, übernahm sein Vater auch die Rolle als Guide. Nach einem Jahr brauchte es einen anderen Guide, da es immer zeitintensiver und professioneller wurde. Mit einer ehemaligen FIS-Skifahrerin fand er für zwei Jahre einen sehr guten Guide. Heute fährt Marc mit einem Guide aus der Innerschweiz. „Es ist ein komplett anderes Gefühl, wenn man mit der Familie unterwegs ist, als wenn man Rennen fährt und durch Tore fahren muss“, sagt er. Anfänglich finanziert sich Marc alles aus eigener Tasche. Durch intensive Sponsorensuche kann er heute seine Ausgaben durch die Sponsorengelder decken. Seine Skiausrüstung erhält er von seinem Ausrüstungspartner Rossignol. Verdienen tut Marc nichts. Nebst seinen vielen Trainings arbeitet er 60% als Sachbearbeiter beim Kanton in St. Gallen. „Mein einziges Einkommen bekomme ich durch die Arbeit beim Kanton. Ich versuche die restlichen 40% in naher Zukunft durch die Sponsoren abzudecken“, erwidert Marc. Sein Guide arbeite nebenbei 100% und nehme Ferientage, um ihn auf der Piste bei Rennwochenenden zu unterstützen. All das unter einen Hut zu kriegen, sei nur durch eine gute Planung möglich. Die Arbeitstage sind klar geregelt und die Ferien gehen grösstenteils für den Sport drauf. „Ich erhalte jede Woche von meinem Konditionstrainer einen Plan, auf den ich mich die kommenden Tage fokussiere“, sagt Marc. Die Sportlerschule Teufen stellt ihm Geräte und Räume zur Verfügung. An Trainingstagen auf den Skiern erhält er Unterstützung vom Verband und seinen Trainern, welche ihm die Piste reservieren, abstecken und nach dem Training Feedbacks geben. „Die Unterkunft an Trainingstagen oder an Rennwochenenden muss ich aus eigener Tasche bezahlen, der Verband kümmert sich um die Reservation und das Abstecken der Piste“.
„Bei dieser Geschwindigkeit kann ich nur meinem Guide vertrauen“
„Am Renntag stehe ich immer eine halbe Stunde vor dem Frühstück auf. Danach wärme ich mich mit Kraftübungen und Dehnen auf. Eine Stunde vor der Abfahrt wird kurz gegessen und danach geht es auf die Piste zum Einfahren. Nach dem Einfahren gehen wir zurück an die Wärme. Dieses Szenario wiederholen wir erneut, bevor wir schlussendlich an den Start gehen“. Die Kleider werden abgezogen und Marc steht nur noch mit dem Renndress im Starthaus. Nochmals ein kurzer Funkcheck und schon geht es los. Mit einem beachtlichen Tempo fährt Marc mit seinem Guide die Strecke hinunter. Er ist mit einer Weste ausgestattet, welche signalisiert, dass er Sehbehindert ist. Kommuniziert wird per Funk, welcher in seinem Helm befestigt ist. „Bei einer solchen Geschwindigkeit sehe ich die Tore nicht und ich merke auch nicht, wann es nach unten geht. Das braucht im ersten Moment Überwindung und ich muss auf die Funksprüche von meinem Guide vertrauen“, sagt Marc auf die Frage, ob er die Tore ein bisschen sehen kann. Damit Marc weiss in welche Richtung er fahren muss, benutzen sie eine spezielle Kommunikation. „Mein Guide sagt mir -elf eins zwei zehn- für die Richtungsangabe und wenn ich die Kurve ansetzten muss -und Hopp eins-„. Bei -und- weiss Marc, er muss auslösen, bei -hopp- ist die Einleitung und -eins- wird die Kurve gefahren. Er fährt momentan Riesenslalom und Super G. „Am meisten Spass machen mir die Speeddisziplinen, da es aufgrund der Geschwindigkeit ein gutes Timing Gefühl mit dem Guide braucht“. Das Punktesystem ist gleich aufgebaut wie bei den Profis. „Ich fahre zurzeit auf der Stufe FIS. Ich habe wegen fünf Punkten den Aufstieg in den Europacup verpasst. Nach dem Europacup gibt es dann noch den Weltcup, das ist die höchste Stufe, auf der man fahren kann“. Diese Saison verfolgt Marc das Ziel in den Europacup aufzusteigen.
„Das erste Mal ganz oben auf dem Podest zu stehen war ein unglaubliches Gefühl“
Seinen bisher grössten Erfolg feierte Marc in Leogang, als er sein erstes FIS-Rennen gewonnen hat. „Es waren die schwierigsten Bedingungen, die ich je hatte und als es dann für den Sieg reichte war es doppelt so schön. Es ist immer wieder ein grossartiges Gefühl auf dem Podest zu stehen und zu wissen, dass sich das harte Training auszahlt und man es nicht einfach so macht“.
„Ich werde an den Olympischen Spielen 2026 in Cortina mitfahren“
Sein grosses Ziel an Olympia teilzunehmen, verfolgt Marc jeden Tag. Er trainiert so hart wie möglich und verbessert sich jeden Tag, damit er eines Tages seinen Traum, 2026 in Cortina am Start zu stehen verwirklichen kann. „Aufgeben ist für mich keine Option. Ich habe dieses Ziel vor meinen Augen und werde hoffentlich nächste Saison mit dem Aufstieg in den Europacup, einen weiteren Schritt näher an meinem Traum sein“.